Nur online! Geschichtlichkeit und Revolution. Herbert Marcuses Kritik des Politischen Existentialismus.
Geschichtlichkeit und Revolution. Herbert Marcuses Kritik des Politischen Existentialismus.
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Herbert Marcuses Begriff von der großen Weigerung, seine Randgruppentheorie wie auch vielleicht das Konzept der repressiven Entsublimierung dürften noch im Gedächtnis geblieben sein. Dass die Person Marcuse zum „politischen Übervater der Bewegung“ stilisiert und seine Philosophie vorschnell auf den begleitenden Soundtrack der 68er Revolte reduziert wurde, führte nach dem Abklingen der Proteste zum scheinbaren Veralten von Marcuses kritischer Theorie. Jüngere Veröffentlichungen über seine Arbeit am OSS (Office of Strategic Services), aber auch die Publikation der Feindanalysen setzten neue Akzente und zeigen den „Guru der neuen Linken“ als scharfen Beobachter gesellschaftlicher Transformationen, die sich in der Bildung einer „neuen deutschen Mentalität“ niederschlugen. Die sich aufdrängende Trennung des Revolutionstheoretikers vom Kritiker deutscher Zustände übersieht jedoch ein wesentliches Moment von Marcuses Philosophie, seine Kritik des Politischen Existentialismus. Angetrieben, den dogmatischen Marxismus der zweiten Internationale zu überwinden, wollte Marcuse mit einer angestrebten Synthese aus Marx und Heidegger der in der Rezeption statisch gewordenen marxschen Lehre ein aktivistisches philosophisches Fundament liefern. Gleichzeitig sollte die vermeintlich in der bürgerlichen Ordnung befangene Seinslehre Martin Heideggers politisiert und somit in eine Revolutionstheorie überführt werden. Heideggers später eigens vollzogene Politisierung seiner Theorie, durch sein Bekenntnis zum Nationalsozialismus, veranlasste Marcuse 1934 seine Kritik des Politischen Existentialismus zu formulieren. Die bisher als Leerstellen Heideggers kritisierten „Grenzen“ konnten jetzt als ihr (negativer) Fortschritt begriffen werden, diente der Politische Existentialismus und seine Wegbereiter Carl Schmitt, Ernst Jünger und Martin Heidegger doch der „neuen Ordnung“ (Pollock) als Legitimation, als „(negative) Rechtfertigung des nicht mehr zur Rechtfertigenden“. Marcuses Enttäuschung von Heidegger verschaffte ihm damit nicht nur einen klaren Blick auf seine Philosophie, sondern auch einen Begriff von der fetischistischen Selbstkritik des Liberalismus und der mit ihr einhergehend klassenlosen Gesellschaft „auf der Basis und im Rahmen – der bestehenden Klassengesellschaft“. Ein kritischer Begriff vom Politischen Existentialismus ermöglicht es die spezifisch aktivistischen Momente das Nationalsozialismus, die Forderung nach totalem Engagement und Politisierung zu fassen, und damit neues Licht auf die „Verkehrte Utopie“ (Rotermundt) regressiver Modernekritik insgesamt zu werfen.
Jan Rickermann hat Sozialwissenschaften und Philosophie studiert und ist Mitglied der Redaktion Extrablatt. Aus Gründen gegen fast Alles. Veröffentlichungen: Die „letzte Sinnlosigkeit“ Zur Kritik des Kommenden Politischen Existentialismus bei Giorgio Agamben. In: Zeitschrift für kritische Sozialtheorie und Philosophie. Heft 5 Band 2. Sowie „Wenn wir dich eliminieren, verlieren wir nichts“. Zur Gesellschaftslehre des Kommunismus der Roten Khmer. In: sans phrase. Zeitschrift für Ideologiekritik. Band 9.